Lieber Udo (wenn ich diese Anrede wählen darf?!),
lange Antwort von mir:
ja, irgendwie sind wir von der Moraltheologie weit abgekommen. Wenn ich recht erinnere war der erste Beitrag sogar eher ein kanonistischer, sofern man die 10 Gebote als frühe Form des Kirchenrechtes auffasst. Bis vor, sagen wir 200 Jahren gab es da ohnehin keine Unterscheidung: Was Recht war, war auch (moralisch) richtig.
Vielleicht erklären sich allein von daher manche Diskrepanzen?!
Um zu der Ursprungsfrage nach dem 6. Gebot mal zurückzukehren: Als katholische Theologin musste ich mal Hebräisch lernen. Gegenüber den evangelischen Theologen (leider?) nur sehr rudimentär. Sprich: Ich könnte das nicht mal mehr lesen, geschweige denn übersetzen. Was ich aber seitdem weiß: Es gibt kaum Sprachen, die schwerer zu übersetzen sind!!! Schon im Neuen Testament, das ja in griechisch geschrieben wurde (kann ich sogar lesen UND übersetzen

) ist es manchmal eine Frage der Sichtweise, wie man übersetzt. Grammatikalisch gibt es durchaus manchmal zwei oder drei Möglichkeiten. Und der Sinn ergibt sich aus dem Kontext, oder eben subjektiv.
Wenn man dann sich vorstellt, dass der Urtext der hebräischen Bibel auch noch ohne Vokale geschrieben ist, die Vokale aber oft festlegen, ob es z.B. Konjunktiv oder Indikativ oder eine bestimmte Zeitform ist, tja.... schwierig! Na gut, wir haben zum Glück noch die griechische Version, die Septuaginta, die hilft da manchmal weiter. Aber ist sie nicht auch schon eine Übersetzung? Im Italienischen ist das Wort für Dolmetscher "Interprete".
Der evangelische Grundsatz "ad fontes" sprich: Zurück zur Quelle in der Bibel hilft dann auch nicht immer weiter, zumal wir als Katholiken ja glauben, dass Offenbarung Gottes bis heute geschieht, in der Geschichte nämlich.
Achja, meine Frage, ob Gott sich von uns betreffen ließe war ein wenig selbstironisch: Wir Kanonisten nehmen ja in Anspruch, auch göttliches Recht in unserem Gesetzbuch erfasst zu haben. Wenn wir also nach göttlichem Recht einen wiederverheiratet Geschiedenen samt Ehebrecherin von allen Sakramenten ausschließen ob der schweren Sünde in der das Paar lebt (can. 916), glauben Sie, dass Gott sich daran hält und dem Paar die göttliche Zuwendung entzieht?? - die ja nach unserer Lehre besonders in den Sakramenten passiert-
Ich persönlich glaube nicht, dass Gott sich gebunden fühlt an Richtersprüche oder ähnliches.... Er ist eben doch größer - si capis non est deus!
An etwas Grundsätzliches möchte ich noch erinnern: Wir leben im Jetzt. Auch die Theorie der katholischen Kirche zum Thema Sexualität hat sich gewandelt. Wie die Umsetzung ist, da menschelt es leider Gottes noch immer, aber das ist nun mal so mit dem "Bodenpersonal". Es wurde hier mehrmals angesprochen, dass Sexualität nur als negativ angesehen wird usw.
Wenn Sie in echte Quellentexte schauen, etwa den Konzilstext "Gaudium et Spes" oder in den Kathechismus der Katholischen Kirche, z.B. über die Ehe, finden Sie andere Aussagen als etwa noch im alten Codex, wo gesagt wurde, dass die Ehe den Hauptzweck der Zeugung und Erziehung von Nachkommen und als Nebenzweck das "Remedium Concupiscenciae" ("Heilung der fleischlichen Lust"/ geordnetes Ausleben von Sexualität) habe.
Hier finden Sie z.B. die Aussagen des Katechismus (leider nur auf Latein, auf Deutsch gibst nur eine Zusammenfassung
http://www.vatican.va/archive/compendiu ... cc_ge.html):
http://www.vatican.va/archive/catechism ... MATRIMONII
Außerdem meine ich, was von Religionslehrern gehört zu haben, die das alles anders sehen?!!! Na, Jungs, ihr seid aber auch Kirche. Ihr verkündet die Lehre der Kirche!!! Sonst hättet Ihr zu Unrecht Eure missio canonica! Ihr seid auch Bodenpersonal Gottes in unserer Kirche, es gibt nicht "die da in der Amtskirche", ihr gehört dazu
Sicher gibt es immer noch viele Kritikpunkte an der katholischen Sexuallehre. Zum Teil wohl auch berechtigt. Die Theologie will zwar mit anderen Wissenschaften zusammenarbeiten, aber naturgemäß tut sie sich darin schwer. Und die Medizin kann auch nicht beantworten, was nun moralisch richtig ist, oder??
Nun will ich aber schließen, Moral ist nicht mein Fachgebiet. Konkrete theologische Fragen werde ich aber trotzdem versuchen, zu beantworten.
Nun grüße ich alle und bitte Gott um seinen Heiligen Geist in diesem Forum,
DIE Königstiger.
(traurig dass in einer Welt "zölibatärer Moral-Theologen"

am Ende doch die Mütter am Bildschirm sitzen und Texte tippen
